Heimat Bote Nr. 36


Königskrönungen in Königsberg

Am 18. Januar 2001 ist es 300 Jahre her, als Ostpreußens Hauptstadt Königsberg in einer ganz besonderen Weise in das Bewußtsein der Menschen im damaligen Deutschland und in Europa trat. Die Selbstkrönung des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg zum "König in Preußen" im Audienzsaal des Königsberger Schlosses war der Beginn des Staates "Preußen". Dieser Name stand fortan nicht nur für ein weit gestreutes Territorium "von der Maas (Herzogtum Kleve) bis an die Memel" (Herzogtum Preußen), sondern auch für eine wechselvolle Geschichte, für hohe kulturelle Leistungen und für zahlreiche prägende Wertvorstellungen.
Zwar erklärte der Alliierte Kontrollrat am 25.2.1947 den Staat "Preußen" für aufgelöst, doch damit konnte er nicht auslöschen, was mit dem Begriff "Preußen" und "preußisch" verbunden war und noch heute verbunden ist.
Als schließlich Prinz Wilhelm als König Wilhelm I. Am 18. Oktober 1861 bei seiner Selbstkrönung in Königsberg bewußt an die Krönung seines Ahnen Friedrich I. anknüpfte, stand "Preußen" schon seit langem für eine deutsche und europäische Großmacht, für bestimmte Denk und Handlungsweisen.

Die erste Krönung König Friedrich I
Zu dieser Krönung gehört zunächst eine Vorgeschichte. Diese ist verbunden mit dem Namen Friedrich Wilhelm, mit dem "Großen Kurfürsten", wie er seit der erfolgreichen Schlacht gegen die Schweden bei Fehrbellin 1675 bereits zu seinen Lebzeiten genannt wurde.
Friedrich Wilhelm, Kurfürst von 1640 – 1688 besaß eine Fülle von Territorien. "Ihr Herr trug keine Krone, sondern ein gutes halbes Dutzend Hüte: Er war Markgraf zu Brandenburg, Herzog in Preußen, Pommern, Magdeburg und Kleve, Graf der rheinischen Mark, Fürst von Halberstadt" (Sebastian Haffner). Sein Staat umfaßte 110 836 qkm und hatte etwa 1.500000 Einwohner. Diese sozial, wirtschaftlich und kulturell sehr unterschiedlichen Länder galt es zusammenzuhalten. Dieses versuchte Friedrich Wilhelm mit der Gewährung der freien Religionsausübung, durch die Neuordnung des Postwesens, durch Steuer und Wirtschaftsmaßnahmen und durch den Aufbau eines stehenden, ständig einsatzbereiten Heeres. Als er nach 48 Regierungsjahren, nach gewonnenen und verlorenen Schlachten, nach verschiedenen Bündniswechseln verstarb, hatte er als herausragende Leistung die Souveränität im Stammland Preußen erreicht. Im Frieden von Oliva (bei Danzig) 1660 anerkannten diese sowohl der König von Polen wie auch der König von Schweden. Diese Tat hat sich dann unter seinem Sohn und Nachfolger Friedrich III. als eine außerordentliche zukunftsträchtige Tat erwiesen.
Königsberg, das sei noch kurz erwähnt, war Friedrich Wilhelm sehr verbunden, auch in kritischer Distanz.
Siebzehn Jahre lang residierte der Kurfürst in Berlin und in Königsberg. Ab 1657 setzte er Statthalter an der Stadt am Pregel ein. Erst ab 1684 hatte die Stadt keine Funktion als Residenz.
1662 zog Friedrich Wilhelm nach Königsberg um eine Rebellion niederzuschlagen, die der kneiphöfische Schöffenmeister Hieronymi Roth, der den Vertrag von Oliva nicht anerkannte, ausgelöst hatte. Mit 2000 Soldaten landete der Kurfürst in Pillau. – Ihm zu Ehren wurde 1913 das Denkmal eingeweiht, das sich heute in Eckernförde befindet. – Schon 1657 hatte der Kurfürst die Festung Friedrichsburg am Holländer Baum errichten lassen. Ihre Kanonen bewegten die Räte der drei Städte Königsbergs zum Einlenken und am 17./18. Oktober 1663 zur Huldigung im Schloßhof.
Im Schloß zu Königsberg wurde Friedrich III am 11.7.1657 geboren. Seine Mutter war die erste Frau des Großen Kurfürsten, Luise Henriette vor NassauOranien. Zusammen mit seiner 2. Frau Sophie Charlotte von Hannover tat sich Friedrich III. zunächst im kulturellen Bereich hervor. Berlin baute er als Residenzstadt aus: Das Schloß das Zeughaus, das Charlottenburger Schloß gehen auf ihn zurück. 1694 gründete er die Universität Halle, die zum Mittelpunkt der norddeutschen Aufklärung wurde. In Berlin gründete er die Akademie der Künste und – inspiriert von Gottfried Wilhelm Leibniz – die Akademie (Societät) der Wissenschaften.
In Königsberg regte Friedrich III. den Bau vor allem von Jagdschlössern an: Friedrichshof das spätere Schloß Holstein am Pregel, Friedrichsberg und Friedrichswalde in der Nähe von Juditten. 1690 ließ er sich in Königsberg huldigen, 1697 wurde er bei einem Königschießen Königsberger Schützenkönig. Im gleichen Jahr empfing er Zar Peter den Großen im großen Saal, dem späteren Moskowitersaal über der Schloßkirche, 1698 empfing er hier auch den König von Polen August II.
Die beiden zuletzt genannten Ereignisse zeigen bereits auf, daß Friedrich III. sich auch als Kurfürst dem Zaren und dem König als ebenbürtiger Partner empfand. Und schon lange hegte er den Wunsch, den Königstitel zu tragen. Bereits ab 1690 hatte er dazu allerlei Anfragen und Beratungen in Gang gesetzt. Doch noch immer gab es einen Kaiser in Deutschland und ein Reich.
Ein besonderer Umstand kam Friedrich III. nun zu Hilfe.
Seit 1466 hatte Ostpreußen nicht mehr zum Deutschen Reich gehört. Im Zweiten Thorner Frieden mußte der Hochmeister des Deutschen Ordens Polen den Treueid leisten. Hatte nun nicht der Vater Friedrichs III., der Große Kurfürst, es gerade geschafft, die polnische Oberhoheit abzustreifen (Oliva 1660)?
In Preußen war Friedrich III. nicht ein beliebiger Reichsfürst, hier war er souverän. In Preußen konnte er ganz legal König werden, etwa so wie August von Sachsen in Polen.
Friedrich III. wollte sich dennoch nicht die Sympathie des Kaisers Leopold verscherzen und trat mit ihm in Verhandlungen. Friedrich gab die Verpflichtung ab, dem Kaiser im Kriegsfall mit 8000 Soldaten beizustehen, was auch bald im spanischen Erbfolgekrieg nötig wurde. Außerdem versprach er, bei der nächsten Kaiserwahl den Kandidaten Habsburgs zu unterstützen. Als Ende November 1700 die Nachricht vom positiven Vertragsabschluß in Berlin eintraf, lagen dort Königsmantel, Krone und Zepter schon bereit. Und nur drei Wochen später brach der Kurfürst mit großem Gefolge von Berlin nach Königsberg auf. In der Hauptstadt Preußens konnte die Krönung stattfinden, ohne irgendwelche politischen Verwicklungen zu provozieren ?? Einen Protest gab es bereits zuvor. Ausgerechnet der Deutsche Ritterorden mit Sitz in Bad Mergentheim und als nunmehr rein katholischer Orden eng mit dem Haus Habsburg verbunden, versuchte die beabsichtigte Krönung zu verhindern. Doch seine Vertreter setzten sich in Wien nie durch. Dort waren die eigenen Interessen wichtiger.
Am 17. Dezember 1700 brach Friedrich II auf. In Königsberg angekommen, reichte die Unterkunft im Schloß nicht aus. So wurden noch Privatquartiere in der Stadt in Anspruch genommen. Die Stadt hatte damals etwa 40000 Einwohner (doppelt so viele wie Berlin). Altstadt, Kneiphof und Löbenicht waren noch nicht in einer Stadt verbunden, das geschah bekanntlich erst 1724 unter König Friedrich Wilhelm I. (1713 – 1740).
Das Schloß glich immer noch eher einer Burg, darum gab Friedrich I. nach seiner Krönung dem Baumeister Joachim Ludwig Schultheiß von Unfried den Auftrag zu zügigen Umbau und Erweiterungsmaßnahmen.
Drei Tage vor der Krönung ließ Friedrich an fünf Orten in der Stadt, im Schloßhof vor dem Schloß und vor den drei Rathäusern seine baldige Standeserhöhung durch vier Herolde bekanntmachen. Nach "geendigter Ausrufung" wurden Exemplare dieser Verlautbarung unter das Volk geworfen.

Einen Tag vor der Krönung stiftete er einen neuen Orden, den "Schwarzen Adlerorden". Der Wahlspruch "suum cuique" deutete an, Recht und Gerechtigkeit zu üben, jedem Bürger das Seine zu geben. Zum Orden gehörte das Kreuz am OrangeBand. Diese Farbe sollte wohl an Friedrichs Mutter, Luise Henriette von Nassau Oranien erinnern. Zwanzig Rittern legte Friedrich das Ordensband um. Um seine Seltenheit zu gewährleisten, wurde die Zahl der Ritter, die nicht zur königlichen Familie gehörten, auf dreißig begrenzt.
Die Krönung erfolgte am 18. Januar 1701 ohne ein besonders prunkvolles Zeremoniell. Im Audienzsaal des Schlosses ließ sich Friedrich den königlichen Ornat anlegen, setzte sich dann selbst die Krone auf und ließ sich das Zepter reichen. Dann brach er auf, um die Kurfürstin zu krönen. Sie kam ihm, ebenfalls im Ornat und mit Gefolge, im Vorzimmer entgegen. Auf einem Kissen lag die Krone, die ihr der König aufsetzte. Beide setzten sich dann im Audienzsaal auf Throne nieder und ließen sich von den Ständen und ranghohen Vertretern der staatlichen Verwaltungen als König und Königin begrüßen.
Nicht die Krönung, sondern die Salbung und der Zug zur Schloßkirche sollte der Höhepunkt jener Tage in Königsberg sein.
Bis hin zu allen Details und auch bis hin zur Benennung vieler an der Krönung Beteiligten hat Johann von Besser in lateinischer Sprache die Krönungszeremonie und den Krönungszug beschrieben: In feierlich Prozession zogen Friedrich I. Und Königin Sophie Charlotte über einen mit rotem Tuch ausgelegten Weg zur Schloßkirche hinüber. Herold Lakaien, Pagen führten den Zug an. Es folgte ein erster Chor mit einem Paukenspieler und zwei Trompetern. Nun waren Vertreter aus der Verwaltung, der Justiz, der Kirche, der Wissenschaften an der Reihe, dann die Vertreter der Städte, der Ritterschaft, die Hofleute und die Minister.
Es folgte ein zweiter Chor mit einem Paukenspieler und zwölf Trompetern nach zwei Herolden. Zwei Marschällen folgten einhundert Mitglieder der Schweizer Garde, die hohe Federhüte trugen, Mühlsteinkragen und Pluderhosen, und die eigene Musikinstrumente, Trommeln und Pfeifen, benutzten.
Auserwählte des Adels trugen nun das Reichssiegel, den Reichsapfel, das Reichsschwert den beiden Majestäten voran, die jeweils unter einem Baldachin zur Kirche schritten.
Vor dem Kirchenportal erwarteten die beide Bischöfe, Benjamin Ursinus (reformiert) au Berlin, und Prof. Dr. Bernhard Sanden (lutherisch) aus Königsberg das Königspaar. Beide Theologen wurden kurzfristig zu Bischöfen berufen, um die Salbung vorzunehmen. Den Vortritt bei der Salbung hatte Ursinus, denn das Königshaus gehörte seit Kurfürst Johann Siegismund (1613) der calvinistischen Richtung an. Da aber die Mehrheit der Untertanen lutherischen Bekenntnisses war, wurde Sanden als Assistent dazu genommen. Friedrich dachte an alles und hatte wohl auch diplomatische Berater.
Die Bischöfe führten das Königspaar zu den beiden Thronen. Dann begann der Gottesdienst. Die Predigt des Ursinus stand unter dem Wort "Wer mich ehrt, den will ich auch ehren !"( 1. Sam 2,30)
Das Salböl für die Salbung wurde aus einen JaspisGefäß auf einen goldenen Teller gegossen. Zur Salbung legte der König die Krone ab und kniete vor dem Altar nieder. Ursinus salbte die Stirn und den "Puls" der rechten und der linken Hand des Königs. Friedrich I. kam alles darauf an, mit dieser sacralen Handlung zu bezeugen, daß er Krone und Zepter von Gott, nicht von Menschen empfangen habe.
Auch die Königin empfing in ähnlicher Weist die Salbung. Nach der Salbung, nach Lied, Gebet und Segen begab sich der Krönungszug unter Glockengeläut und Kanonendonner zurück zum Palast.
Das rote Tuch, über das alle geschritten waren, wurde unter die Menge verteilt. Eigens zu diesem Anlaß geprägte Gold und Silbermünzen wurden ebenfalls unter die Menge geworfen. Dabei benutzten manche Frauen einen Stoffetzen und manche Männer ihre Hüte, um gleich mehrere Münzen zu ergattern....
Im Ornat fanden sich König und Königin dann zum Krönungsmahl im großen Saal über der Schloßkirche ein. Auf dem Schloßhof war inzwischen ein Ochse am Spieß gebraten worden. Er wurde zuvor mit mehreren kleineren Tieren gefüllt. Von diesem Ochsen wurde auch dem Königspaar ein Stück serviert. Auch vom Wein, der aus zwei großen Brunnen rann, ließ sich der König einen Becher bringen.
Mit diesem Akt sollte sichtbar gemacht werden, daß die königliche Wohlfahrt allen Untergebenen gelten sollte.
Mehrere Wochen noch wurden die Feierlichkeiten fortgesetzt, erst am 8. März 1701 verließ das Königspaar Königsberg in Richtung Berlin.
In diese Zeit fiel noch die Einweihung der reformierten Burgkirche am 23. Januar 1701 in Anwesenheit des Königs, die Umbenennung der Privatschule von Theodor Gehr zum "Collegium Fridericianum" und die Stiftung des Königlichen Waisenhauses am Sackheimer Tor, das auf dem fast gänzlich zerstörten Sackheim wie ein Wunder den Krieg überstanden hat.
Ein Denkmal für König Friedrich I., 1697 von Schlüter geschaffen, kam 1802 nach Königsberg. Gegenüber der Schloßwache wurde es aufgestellt. Heute steht eine Kopie des Denkmals vor dem Charlottenburger Schloß in Berlin.

Lorenz Grimoni Aus Königsberger Bürgerbrief Ausgabe Nr. 55 /Winter 2000


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