Heimat Bote Nr. 38


Welchen Namen für diese Stadt?

Wir danken Herrn Juri Eröjmin, Zimmerbude/Swetlij für die Übersetzung des Artikels ins Deutsche

Im DeutschRussischen Hause fand neulich eine Diskussion über das Jubiläum der Stadt statt. Mehrmals wurde die Frage über das künftige Jubiläum im Jahre 2005 auf den Seiten von "Koskad" und anderer Zeitungen angeregt.
Nun trat die Öffentlichkeit zusammen, um über das Fest der Stadt zu reden. Vielleicht gibt es kein Jubiläum? Es scheint, dass der auf den Seiten Kaliningrader Zeitungen ausgebrochene Wortwechsel künstlich ist. Wie auch immer jeder von uns zur Geschichte der Stadt stehen möge, Tatsache ist, die Geschichte der Stadt kann sich zum Unterschied von der Geschichte der KpdSU nicht durch den Willen und den Wunsch von jemandem ändern.
Die historische Chronik bestätigt, dass im Jahre 1255 eine Festung gegründet wurde, die später der Grund der Stadt war. In der Geschichte von Königsberg gab es viel Wechselvolles wie in der Geschichte jeder beliebigen Stadt.
Aber die Stadt gehört der Weltgeschichte als die größte europäische Stadt, die der Welt wunderbare Denker, Musiker und Wissenschaftler gab. Königsberg lebte in engem Kontakt mit Rußland. Die Wissenschaftler von Königsberg leisteten Rußland Hilfe, das Pulkow Observatorium zu errichten und zu eröffnen. Die Jugendlichen von Rußland studierten seit den Zeiten von Peter dem Ersten an der Königsberger Universität. Mehrmals besuchte der russische Komponist Anton Rubinstein Königsberg. Er bezeichnete die Stadt am Pregel als "größte europäische musikalische Stadt". Die Beispiele engster wissenschaftlicher, historischer, kultureller, literarischer, theatralischer Kontakte Rußlands und Königsbergs sind ungeheuer zahlreich!
Die englischen Bombenfliegerverbände verbrannten die Stadt im August 1944 durch Phosphorbomben. Später im April 1945 fand der Sturm der Sowjettruppen auf Königsberg statt. Am 4. Juli 1946 wurde Königsberg in Kaliningrad umbenannt. So ist Kaliningrad nicht eine neue Stadt, sondern eine neuer Name von Königsberg.
Die Leute des XXI Jahrhunderts unterscheiden sich von den Barbaren der Zeit von Troja durch ihre Bildung, Intelligenz und Anständigkeit. Der historische Weg ähnelt überhaupt nicht einer geraden Bahn. Heute wie nie zuvor begreifen wir, dass ein Krieg keineswegs die beste Lösung eines Problems ist. Leider brachen Kriege aus und finden auch jetzt statt, und bereiten nicht nur den Besiegten sondern auch den Siegern Kummer und Leiden. Je schneller sich die Menschheit aus den Fesseln barbarischer Vorstellungen über gegenseitiges Verhalten zwischen den Ländern und Völkern befreit, um so größer werden Hoffnungen auf ewigen Frieden.

Das Einvernehmen der Menschen durch die Meinungsverschiedenheit, die man überwinden soll, ist ein weiser Aufruf des Philosophen Immanuel Kant zum ewigen Frieden, in dem Menschen zu leben verpflichtet sind. Aber was ist zu tun mit dem Druck der Vergangenheit?

Kriegsteilnehmer in Ostpreußen nehmen an, dass die Heeresgruppen "Nord" und "Mitte" aus Königsberg zur Grenze der UdSSR in Bewegung gesetzt wurden. Das ist wirklich so.
Aber ohne Zusammenhang ist es schwierig, die historischen Konflikte zu betrachten. Es genügt, daran zu erinnern, durch welche Orte die Sowjettruppen im Jahre 1939 den Boden Finnlands und dann Polens betraten.

Unsere Krieger wurden mit der Medaille "Für Erstürmung von Königsberg" ausgezeichnet, aber nicht mit der Medaille "Für Sturm auf Kaliningrad". Niemand hat die Medaille "Für Sturm auf Königsberg" aufgehoben, die am 9. Juni 1945 gestiftet wurde.
Ja, Königsberg wurde Kaliningrad benannt, aber bis zu dieser Umbenennung war hier bei weitem keine Wüste, obwohl es viele Trümmerhaufen gab. Man kann es aber für einen Nonsens halten, dass es bis jetzt auf der Landkarte unseres Landes ein einziges Zeugnis für die Zeit des Stalinismus gibt – den Namen des stalinschen Kampfgefährten, dessen Tätigkeit gar nicht engelgleich war.

Aber in der Weltgeschichte blieb die Stadt als Königsberg – als Stadt des Imanuel Kant und E.T.A. Hoffmann.

Es gibt viele, die Lust haben, den Globus zu besudeln. Einmal erschien ein Vorschlag in der Presse über eine Umbenennung der Stadt auf tschechische Weise, eingedenkt dessen, dass der Gründer der Stadt – Ottokar II. Prschemyslovitsch, König von Böhmen ist. Der Vorschlag enthielt in sich den Wunsch: die Stadt auf beliebige Weise zu benennen, wenn nur die deutsche Vergangenheit verschwiegen und geleugnet wird.

Die tschechische Variante ist haltlos. Der König von Böhmen war doch ein Enkelsohn von Kaiser Friedrich Barbarossa. Der Vergangenheit ist nicht zu entgehen. Während der Besprechung bemerkte der Vorsitzende der Kantgesellschaft, Professor L. Kalinnikow: das Jubiläum der Stadt kann man dadurch würdig begehen, ihr den historischen Namen zurückzugeben. Das wäre würdig, anständig und zartfühlend. Meines Erachtens muß man das nicht durch ein Referendum tun, weil die breiten Massen als Folge der vieljährigen betäubenden Ideologie nicht in allem einen klaren Begriff bekommen können, und Kant und Hoffmann kennen sie nicht und wollen sie nicht kennen.
Nach Angaben der Verwaltung der Stadt und des Gebiets muß man einfach durch einen Erlaß des Präsidenten einen sichtlich veralteten Beschluß der stalinschen Epoche widerrufen, der den historischen Realitäten nicht entspricht, da Kalinin mit der Stadt nichts zu tun hatte, und dieser Name soll Vergessenheit geraten, und in keinem Falle auf den Landkarten verewigt sein.
Also die Stadt Kaliningrad, der man bis jetzt den historischen Namen noch nicht zurückgegeben hat, wird bald 750 Jahre alt. In diesen Jahren gab es die preußischen, deutschen, sowjetischen und russischen Perioden. Man muß den Geburtstag der Stadt würdig begehen: das sind Festivals der deutschen und russischen Musik, Konzerte von Werken der Komponisten von Königsberg und Kaliningrad, das sind Abende von preußischen, deutschen, russischen, litauischen und polnischen Volksliedern, das sind Ausgaben der Bücher über Kultur und über Kunst in Laufe von 750 Jahren, das sind Symposien und Konferenzen zum Beispiel "Hoffmann und die russische Literatur" usw.
Apropos, die Besprechung im DeutschRussischen Hause war nicht so scharf und angespannt. Es herrschte Einmütigkeit fast in allem. Das Jubiläum der Stadt muß in keinem Falle ein Anlaß sein für Chauvinismus, Nationalismus und Wortgeklingel. Wir leben in der dicht bevölkerten europäischen Welt, die uns aufmerksam mit Interesse und mit unverfälschten Neugier sieht. Wir müssen diese Welt nicht über tolle Streiche in Verwunderung setzen, sondern über die Selbstbeherrschung, über den Edelmut, über die europäischen Mentalität. Was muß man berücksichtigen bei der Vorbereitung zum 750 jährigen Jubiläum von Kaliningrad (Königsberg)?
Man muß die Bewohner belehren, in der Stadt die europäische Reinlichkeit zu halten. Es ist notwendig, den politischen Dummheiten prinzipielle, schroffe Abfuhr zu erteilen. (Fast alle Gouverneure und Bürgermeister werden des Wunsches beschuldigt, die Stadt Deutschland zu verkaufen) Alle Arten rassenhetzerischen, öffentlichen Auftretens müssen abfällig beurteilt werden. Die Verprügelung der afrikanischen Studenten gereicht uns allen zur Schande, darüber müssen alle Mittel der Masseninformation sprechen. Es müssen alle faschistischen Ausfälle örtlicher Mißgeburte eingestellt werden und abfällig beurteilt werden, die Hakenkreuze auf Wänden und in ihren Heften malen, und annehmen, dass das Hakenkreuz das heilige Zeichen der Russen ist.
Das Kaliningrader Gebiet und unsere Stadt sind multinational. Wir müssen nicht über die russische Ausschließlichkeit reden, wenn auch irgendwo eine Respektlosigkeit gegen andere Völker vorbeihuscht. (Die Redensart: "Wir – Russen! Gott mit uns!" ist so dumm und stumpfsinnig wie die Redensart: "Wir Araber! Allah mit uns!")
Kann sein, daß zu jener Zeit in der Stadt öffentliche Klosetts in Erscheinung treten(!) Man muß schonungslos denen Geldstrafen auferlegen, die den Wasilewskyplatz besudeln.
Während der Diskussion sprach man viel über die Notwendigkeit der Vereinigung aller gesellschaftlichen, schöpferischen und künstlerischen Kräfte, damit sich unsere Stadt in die Zahl der herzlichen, ruhigen, schönen Städte Europas einreihen kann. Wir sind stolz auf unsere Vergangenheit und auf unsere Gegenwart, obwohl den jetzigen Bewohnern der Stadt schwer fällt, die Nachfolger von Königsberg zu sein. Aber jeder muß doch der Wirt seiner Stadt, seiner Straße und seines Hauses sein.

Der Artikel wurde leicht gekürzt. S. Hanemann


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