Heimat Bote Nr. 38


Wer hilft Barbara Zink,
sich an Großheidekrug zu erinnern?
Ein Brief


Vielen Dank für die Zusendung der älteren Heimat Boten. Ich habe sie alle aufmerksam gelesen und werde das sicher noch ein paar Mal tun. Beim Durchlesen stellte ich dann fest, dass wir uns schon einmal gesehen haben. Sie wollten die Reisegruppe letztes Jahr in Kiel bei der Ankunft in Kiel begrüßen. Das Schiff war früher angekommen, und eine Frau in der Wartehalle des Terminals sagte es Ihnen. "Die sind schon alle weg." Diese Frau war ich.
Nachdem ich nun die ganzen Heimat Boten durchgelesen haben vor dem Hintergrund der Reise im Juni 01, ist in mir ein Wunsch entstanden.
Ich würde so gerne mehr über meine Familie, meine ersten fünf Lebensjahre in Großheidekrug wissen. Vielleicht kann der Heimat Bote mir dabei helfen. Ich glaube, dass alle Großheidekrüger den Boten lesen. Sollte ich die Letzte sein, die ihn nun lesen wird?
Ich habe schon sehr viel auf der Reise erfahren und gehört, und doch würde ich gerne mehr erfahren. Viele meiner wenigen Erinnerungen habe ich bei meinen Besuchen bestätigt gefunden. Im Heimat Boten habe ich viele Namen gelesen, über viele Ereignisse geschmunzelt, und so recht kann ich doch nichts damit anfangen.
Ich weiß, es ist ein bißchen spät, aber es heißt doch auch "besser spät als nie".
Ich wurde am 3. September 1939 in Großheidekrug geboren, wie ich auch letztes Jahr erfahren habe, in der Schustergasse, kann mich aber nur an unsere Wohnung neben der Schmiede erinnern. Es war wohl die alte Stellmacherei, in der wir wohnten. Von meiner Familie wurde ich Bärbel genannt.
Meine Eltern sind zwar beide in Ostpreußen geboren, haben sich aber in Hamburg kennengelernt und geheiratet. Meine Schwester Karla ist auf jeden Fall am 28.12.1928 in Hamburg geboren. Ich meine Ingrid ist am 3. März 1930 geboren, nur ob meine Familie schon 1930 oder etwas später wieder nach Ostpreußen und ich denke gleich nach Großheidekrug zurückgegangen ist, weiß ich nicht.
Meine Eltern waren Therese und Albert Kreutzberger. Mein Vater arbeitete im Flugzeugwerk in Seerappen. Später war er Soldat.
Wir sind Mitte Januar auf die Flucht gegangen. Ich erinnere mich, dass wir eine alte Dame mitgenommen haben, die allein war, Namen weiß ich nicht. Mein Vater und Ingrid wurden verschleppt. Es hieß, dass Ingrid in Schlossberg krank wurde. Eine Frau aus Großheidekrug war mit ihr zusammen und wollte sie am nächsten Tag im Lazarett besuchen. Dort sagte man ihr, Ingrid Kreutzberger wäre in der Nacht gestorben.
In Gotenhafen wollten meine Mutter, Karla und ich auf ein Schiff gehen. Es kam ein Luftangriff, und meine Schwester Karla wurde tödlich getroffen. Meine Mutter und ich mußten dann weiter, wie weiß ich nicht mehr. Wir sind am 7. April in Ahrensburg/GroßHansdorf angekommen. Damals war ich fünf Jahre alt. Meine Mutter hat mit mir niemals über all das Leid und den Kummer gesprochen, mein Vater genau so wenig. Er kam 1947 aus Sibirien zurück und verunglückte 1953 tödlich.
Inwiefern meine Eltern etwas verarbeitet haben, ist mir nicht bekannt. Ich war wohl zu klein und sollte behütete aufwachsen. Und das bin ich. Wenn ich Fragen gestellt habe, fing meine Mutter immer an zu weinen. Ich ließ das Fragen dann natürlich sein.
Meinen Kindern ging es dann genau so. Meine Mutter wurde 92 Jahre alt, war aber zehn Jahre sehr verwirrt und litt sehr an der Altersdemenz. In dieser Zeit war es ganz offensichtlich, dass sie die Kriegserlebnisse nicht verarbeitet hatte.
Es ist natürlich inzwischen viel Zeit vergangen. Mein zu Hause ist Hamburg und der Norden von Schleswig Holstein. Ich hätte mich schon lange um Informationen über meine Familie kümmern können. Aber Großheidekrug war weit, war irgendwie Geschichte, und unerreichbar. Außerdem hatte ich keine Ahnung von den vielen Großheidekrügern, von Treffen und Kontakten. Erst nachdem die Grenzen aufgingen, kam die Neugier und der vage Wunsch, doch mal zu sehen, mal nach Großheidekrug zu fahren.
Ich war dann 1997 mit Cousine und Cousin in Großheidekrug, und bin ziemlich ratlos zurückgekommen. Erst auf der Reise im Juni 2001 habe ich mehr erfahren über meinen Geburtsort, habe viele Namen gehört, die ich glaube zu kennen, aber nichts damit anfangen kann.
Ein sehr schönes Erlebnis auf der Reise war, dass ich von Lucia Rieß erfahren habe, woher ich meinen dritten Vornamen habe, nämlich von ihr. Und ihre Mutter, Klara Schwilp, ist meine Patentante. Ich weiß nicht, warum meine Mutter mir das nie gesagt hat. Ich weiß aber, dass ich den Namen Klara Schwilp oft gehört habe, und meine Mutter sehr viel von ihr gehalten hat.

Lieber Herr Hanemann, Sie sind nun so ein bißchen ein Auffänger meiner Lebensgeschichte oder besser einem Teil davon geworden. Es hat mir gut getan, alles dies mal aufzuschreiben und die Hoffnung noch etwas zu erfahren. Wenn Sie die Chance sehen, etwas für mich zu erreichen, verwenden Sie diesen Brief, wie Sie es für richtig halten.

Es grüßt ganz herzlich Barbara Zink oder Bärbel Kreutzberger
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Liebe Großheidekrüger, wie können wir hier helfen?
Einige Beispiele für helfende Mitteilungen: Wer kann sich an Familie Kreutzberger erinnern? Wann sind Kreutzbergers nach Großheidekrug gekommen? Warum haben sie in der Schustergasse eine Wohnung bekommen? Gab es Arbeitskollegen von Herrn Kreutzberger, wer erinnert sich an Ingrid und Karla als Mitschüler? Mit welchen Nachbarn hatte Frau Kreutzberger Kontakt? Gab es Freunde in Großheidekrug? Wer ging zusammen mit Frau Kreutzberger auf die Flucht und wann? Gibt es in dem Zusammenhang irgendwelche besonderen Ereignisse, an die sich Großheidekrüger erinnern?
Für jede Mitteilung ist Barbara Zink dankbar.
             
Siegfried Hanemann



Anschrift: Barbara Zink – Lange Straße 11 – 24399 Arnis - Tel.: 04642 / 3717




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