Heimat Bote Nr. 41


Chronik von Metgethen

Herr Hans-Jürgen Thöt sandte uns die folgende "Chronik" und schrieb, wie er sie erhalten hat.

"Ein mit seinen Eltern in den 30er Jahren nach Berlin umgezogener damaliger Metgether hatte sich 1991 bemüht, frühere Bewohner zu finden und in einer Heimatgruppe zusammenzuführen und hatte in einem der von ihm herausgegebenen "Metgether Mitteilungsblätter" diese Chronik in Umlauf gebracht mit dem Hinweis, daß er sie als Kopie erhalten habe und Ursprung und Verfasser nicht bekannt seien.
Da auf der letzten Seite die noch nicht ausgebauten Straßen der Gartenstadt erwähnt werden, ist anzunehmen, daß die Chronik in den 20er Jahren geschrieben sein dürfte.
Das Gut Metgethen gehörte zuletzt nicht mehr der Familie Weller. Diese hatte noch die Mühle und die Ziegelei. Als Eigentümer des Gutes sind im "Einwohnerbuch Königsberg (Pr.) 1941" die Margarine- und Fettwerke Ostpreußen, Wehlau genannt; übrigens auch für Gr. Friedrichsberg, was im gleichen Einwohnerbuch auch als Wohnsitz des Gauleiters Erich Koch angegeben ist. Dieser soll ja bei den Margarine- und Fettwerken seine Hand im Spiel gehabt haben.
Der Röderweg in Metgethen, wo die höhere Schule war, ist nach der Familie Röder benannt worden.
Die Heimatgruppe Metgethen besteht nicht mehr. An den drei Treffen nahmen jeweils über 100 Metgether teil. Leider erlitt der Initiator 1996 einen Schlaganfall und starb vor vier oder fünf Jahren."

Mit freundlichen Grüßen Hans-Jürgen Thöt


Der Name "Metgethen" verrät wie sehr viele Ortsnamen des Samlandes mit seiner charakteristischen Endung auf "-ethen" ebenso wie seine Verwandten auf "-itten", "-appen", "-garden" unverkennbar seine Herkunft aus der uns in ganz geringen Resten überlieferten altpreußischen Sprache; er dürfte sogar wahrscheinlich eine Hindeutung auf den heute so geschätzten Waldcharakter des Ortes enthalten. Seine Form in der ältesten Urkunde ist "Minitieyte", "Myntegeytten", "Myntegeten", "Mintgeiten" und ähnlich. 1561 findet sich die Form "Metkeyten", "Mittigedo oder "Minte" hieß wahrscheinlich auch der erste, noch heidnische Besitzer, ein preußischer Edler, der von seinen Stammesgenossen wegen seiner Tapferkeit zum Edelmann erhoben worden war. Das dürfte noch im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung gewesen sein.
Die erste überlieferte Urkunde stammt allerdings erst aus der Ordenszeit. Sie ist datiert vom 17. Januar 1278 und in lateinischer Sprache abgefaßt. In ihr gibt der Ordensmarschall Konrad von Thierberg, Vizelandmeister des deutschen Ordens, seinen Beamten bekannt, daß der Preuße Regune dem Orden seinen Stammbesitz zur Verfügung gestellt hat, der wahrscheinlich in einer damals noch unsicheren Gegend Preußens (Es ist die Zeit unmittelbar nach dem "großen Aufstande") gelegen war und mit seinen Baulichkeiten den Ritter im Kampfe mit den Preußen vielleicht nützen konnte. Als Entschädigung dafür verleiht der Vizelandmeister, der die Geschäfte des damals noch in Venedig residierenden Hochmeisters führt, umfangreiche Ländereien in dem damals schon friedlicheren Samlande, wo Regune gleichzeitig vor der Rache der Stammesgenossen, die ihm seinen Abfall zu den Eroberern des Landes kaum verziehen haben durften, sicher ist. Diese ihm angewiesenen Ländereien lagen in Myntegeyten:

Dann berichtet die Chronik über den Wechsel der einzelnen Besitzer. Diese und einige Ereignisse sind durch Absätze in lateinischer und altdeutscher Sprache belegt. Meiner Meinung nach sind diese Ausführungen mehr für Fachleute interessant, deshalb habe ich sie hier fortgelassen. Sie können jederzeit bei mir angefordert werden. (S. Hanemann)
19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert hat das Gut Metgethen sehr oft seinen Besitzer gewechselt und durch Teilverkäufe an Umfang wesentlich eingebüßt. Unter den Besitzern ist die Familie Stägemann zu nennen, deren erster, Friedrich August Stägmann, später als geheimer Staatsrat, ein bedeutender Mitarbeiter Steins und Reorganisator der preußischen Verwaltung wurde. Eine von ihm 1818 aus französischen Geschützen gegossene Gutsglocke wurde 1910 bei einem Brande geschmolzen.
Mitte der sechziger Jahre wurde die Pillauer Bahn gebaut. Der Wald südlich der Bahnstrecke wurde gleichzeitig heruntergeholzt und wieder angepflanzt. In den neunziger Jahren wurde der Waldbestand des heutigen "Rieselfeldes" abgeholzt und an eine "Metgether Grundstücksverwertungsgesellschaft m.b.H." verkauft. Hier wurden Rieselfelder angelegt, die durch die Königsberger Abwässer versorgt werden sollten.
1907 verkaufte Gutsbesitzer Weller 600 Morgen, darunter 300 Morgen Wald, an die neugegründete Terraingesellschaft "Waldvillenkolonie Metgethen G.m.b.H.", deren Gesellschafter die Kaufleute Hermann Schöneman, Moritz Schöneman, A. Lie-beck, der Direktor Sommerfeld und die verwitwete Frau Charlotte Weller waren. Gleich nach dem Verkauf entstand der von Landrat von Batocki geförderte Gedanke, das südlich der Pillauer Bahnstrecke gelegene Gelände vom Gutsbezirk abzutrennen und daraus eine eigene Gemeinde zu bilden. Damit diese lebensfähig sei, entschloß sich die Terraingesellschaft auf Veranlassung des Oberpräsidenten von Windheim zur grundbuchlichen Eintragung eines Kapitals von 100.000 Mk. für die zu begründende Gemeinde.
Erst nach langen, recht schwierigen Verhandlungen schloß sich der Provinzialrat den Beschlüssen der Vorinstanzen an; die königliche Bestätigung ließ jedoch noch lange auf sich warten und erfolgte erst am 19. Mai 1913, so daß fast 6 Jahre vergangen waren, bis die neue Landgemeinde Metgethen wirklich begründet werden konnte. Am 1. Oktober 1913 wurde die Gemeinde endgültig vom Gutsbezirk abgetrennt; die-ser Tag ist der Geburtstag der Gemeinde Metgethen. Am 6. Oktober fand in der Frauenschule eine Tauffeier statt, zu der auch die Behörden Vertreter entsandt hatten.
Am 1. Oktober 1913 ist die "Landgemeinde Metgethen" selbständig geworden. Der Gedanke dieser Abtrennung vom Gutsbezirk lag nahe. So klein die zunächst nur wenige Seelen zählende Gemeinde war, so lagen die Interessen ihrer Bewohner doch denen des Gutsbezirks oft entgegengesetzt; der städtische Charakter einer kleinen Vorortgemeinde war wohl schon damals unverkennbar, so daß es nicht ratsam erscheinen mochte, die Ortsverwaltung mit der des länd-lichen Gutsbezirks auf die Dauer zu verschmelzen.
Die weitere Entwicklung der Gemeinde hat die Richtigkeit dieses Gedankens erwiesen. Die bevorzugte Lage Metgethens in unmittelbarer Großsstadtnähe hatte den Ort schon vorher zum beliebtesten Ausflugsziel in der nächsten Umgebung Königsbergs gemacht. Die Pillauer Bahn hatte es den Städtern durch Einrichtung einer angemessenen Vorortverbindung und durch den zweigleisigen Ausbau der Strecke KönigsbergMetgethen dankenswerterweise ermöglicht, die Kaporner Heide mit Metgethen, ihrem Ausgangspunkt, in ihrer Bedeutung als "Lunge" der Großstadt kennen und immer mehr schätzen zu lernen.
So war der Umfang der kleinen "Villenkolonie" bereits vor der Gemeindebegründung in beträchtlichem Wachstum begriffen. Der Kern Metgethens lag in dem Waldgebiet südlich der Bahnstrecke. Hier gewährten an breiten, sauber ausgebauten Straßen reizende Häuschen, umgeben von herrlichem Waldesgrün, dem Auge des erholungsbedürftigen Wanderers einen anmutigen Anblick, dem jene unvollkommene Kahlheit und Dürftigkeit, die sonst werdenden Villenkolonien meist eigen ist, gänzlich fehlte. Besonders imposant nahm sich die am Ufer des idyllischen, inselgeschmückten Hubertussees neu erbaute Wirtschaftliche Frauenschule aus; am anderen Ufer hatte die Volksschule ein dem Villencharakter des Ortes angepaßtes, schönes neues Heim er-halten. Eine gut eingerichtete freiwillige Feuerwehr sorgte für die Sicherheit Metgethens.
So schienen sich die Begründer der Gemeinde nicht getäuscht zu haben. Metgethen war verheißungsvoll aufgeblüht und versprach in nicht zu ferner Zeit ein großstädtischer, großzügiger Vorort zu werden, der die Vorzüge gesunder ländlicher Schönheit mit den Annehmlichkeiten moderner Großstadteinrichtungen verbinden würde. Da zerstörte – noch war kein Jahr seit der Gemeindegründung verflossen – der unselige Krieg diese Hoffnungen oder schob sie wenigstens um Jahrzehnte hinaus.
Die Nöte des Weltkrieges lähmten natürlich auch in der noch so jungen Gemeinde zunächst jede äußere Weiterentwicklung. Noch heute trägt die eigentliche Villenkolonie leider immer noch den Charakter eines in seiner jungen Entwicklung plötzlich gestörten Ortsbildes. Langer Jahre würde es bedürfen, um diesen Eindruck allmählich zu verwischen, zumal die schwere Gegenwart nur dem unbedingt Notwendigsten Daseinsberechtigung zuerkennt.

Daß die Bewohner Metgethens auch in den bösen Kriegsjahren, in denen sich eine Vergrößerung des Ortes von selbst verbot, um die innere Ausgestaltung ihres Gemeindewesens eifrig bemüht geblieben sind, zeigt am hervorragendsten die im Jahre 1916 erfolgte Gründung der höheren Knaben- und Mädchenschule, deren Schüler und Schülerinnen die gesunde Lage der Waldschule – der bisher einzigen in Ostpreußen – zugute kommen sollte. Auch das "Wagnis" der Schulgründung erwies sich in kurzer Zeit als überaus glücklich. Die junge Privatschule erfreute sich einer kaum vorhergesehenen günstigen Entwicklung, so daß das Unterrichtsministerium im Jahre 1923 ihre Umwandlung in eine öffentliche Lehranstalt der Gemeinde Metgethen genehmigte. Leider entbehrt die bis zur Untersekunda entwickelte Anstalt noch immer eines hinlänglichen Schulgebäudes.

Folgen des 1. Weltkriegs
Im Jahre 1920 löste sich die Waldvillenkolonie Metgethen G.m.b.H., die die Aufteilung und den Ausbau des Ortes in die Wege geleitet hatte, auf. Die Straßen, das elektrische Kraftwerk, das vor Beginn der Stromlieferung durch das Überlandwerk den Ort versorgte, und der Wirtschaftshof gingen nach Abschluß längerer Verhandlungen in die öffentliche Verwaltung der Gemeinde über.
Der unglückliche Ausgang des Krieges machte den erhofften weiteren Ausbau der Waldvillenkolonie so gut wie unmöglich. Andererseits erforderte die dringende Wohnungsnot immer gebieterischer die Schaffung neuer Heimstätten, die den Obdachsu-chenden eine wenn auch nur bescheidene Unterkunft zu gewähren vermochten. Die unter diesen Gesichtspunkten einsetzende Bautätigkeit der Kleinsiedler wurde auch in Metgethen dank der bevorzugten Lage des Ortes aufgenommen. Im November 1919 wurde die Gründung der Kleinsiedlungsgesellschaft m.b.H., "Gartenstadt Methgethen" nördlich der Bahnstrecke, mithin außerhalb der Waldvillenkolonie, beschlossen.
Ein 236.000 qm großes Gelände wurde darauf von der Waldvillenkolonie erworben und in 162 Parzellen geteilt; Die Durchschnittsgröße der Parzellen betrug demnach 1350 qm. Ein Grenzstreifen an dem Eisenbahngelände wurde der Reichseisenbahnverwaltung zum Erweiterungsbau angeboten. Da die Verhandlungen jedoch scheiterten, wurde auch dieses Gelände aufgeteilt und den angrenzenden Siedlern übereignet. Jeder Siedler mußte mindestens einen Geschäftsanteil von 2000 Mk. zahlen. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 130.000 Mk. Vom Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten wurde die Kleinsiedlungsgesellschaft als gemeinnützige Gesellschaft anerkannt, und weitgehendste Unterstützung wurde ihr zugesichert: Zunächst wurde der Bau von 36 Häusern mit je zwei Wohnungen in Angriff genommen. Diese konnten im Herbst 1920 und Frühjahr 1921 bezogen werden. Da infolge der Inflation die Mittel der Gesellschaft erschöpft waren und daher keine weiteren Bauten ausgeführt werden konnten, bildete sich 1921 innerhalb der Kleinsiedlungsgesellschaft eine Beamtenbaugruppe, die bis 1922 noch etwa 20 weitere Zweifamilienhäuser herstellte. Leider konnte der von den Bewohnern der Gartenstadt lebhaft gewünschte Straßenausbau infolge der Inflationszeit und der allgemeinen Geldknappheit bisher noch immer nicht zur Ausführung gelangen; doch schweben zur Zeit über den Straßenausbau noch umfangreiche Verhandlungen.

Verbindungen Metgethen – Großheidekrug
Obwohl es praktisch fast Nachbargemeinden sind, gab es zwischen den Orten recht wenige Verbindungen. Wollten die Großheidekrüger mit dem Zug nach Königsberg, war für sie der Bahnhof Seerappen näher als der in Metgethen. Der einzige ernsthafte Besuchsgrund war die Apotheke und für mehrere Schüler die Waldschule. Aber alle, die jemals in Metgethen waren, rühmen die Schönheit und zauberhafte Lage dieses Ortes im Wald vor Königsberg.
Der Vollständigkeit halber muß am Ende der Chronik von Metgethen leider erwähnt werden, daß die deutschen Soldaten bei der zwischenzeitlichen Wiedereroberung der Ortschaft am 23. Februar 1945 nur noch Leichen – Soldaten und Zivilisten – fanden, die von der Roten Armee bestialisch umgebracht und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden waren.

("Die Flucht und Vertreibung", Lothar O. Gaunitz, Podzun Pallas Verlag) Siegfried Hanemann






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