Heimat Bote Nr. 42


Pinneberg 2003

Na, wieviele Großheidekrüger werden wir wohl vorfinden? 40 – 50 – oder? – "Nein!",sagt Siegfried, "ein paar mehr werden es schon sein."
Wie immer gehe ich voran, Siegfried sucht einen Parkplatz – es muß einer in der Nähe sein, und dann stehe ich einsam – eben standen doch noch 5 Personen vor mir und sehe in die lustigen und freundlichen Augen von Erika Walischewski. Schon alleine diese Begegnung stimmt mich fröhlich.
Im Saal – drei lange Tischreihen gehe ich von einem zum anderen und stelle fest, daß ich immer noch nicht alle beim Namen nennen kann. Das eine Gesicht ist vertrauter als das andere, bei den Jüngeren muß ich nachfragen, und aus einigen Tischen winkt man mir auch zu. Ja, so ist es dann: man kennt sich, man freut sich, stellt fest, daß der eine oder andere sich in einem Jahr etwas verändert hat. Ich gehöre offensichtlich zu denen, die sich auffallend verändert haben, denn man ruft es mir zu, noch bevor ich den Raum überhaupt betreten habe. Nun ja, ich war lange krank, und das bleibt eben nicht nur in den Kleidern hängen.

In Treue zu Pinneberg sehe ich natürlich sogleich wieder Aßmanns Friedel und Radaus Frieda: Man stelle sich die Strapazen und die Geldausgaben mal vor: Friedel fährt mit dem Zug von Düsseldorf nach Bielefeld und hofft, daß Radaus Frieda dort auf sie wartet. Und wenn nicht? Na, dann ist die Reise geplatzt. Alleine schafft sie es nicht mehr, und wenn doch, dann nur unter unter großen Anstrengungen. Aber da steht Frieda, treu und brav. Beide sind schon längst über achtzig. Sie müssen zwei Nächte im Hotel übernachten. Aber immerhin haben sie an dem Sonnabend Abend viel Freude gehabt, weil sich dort schon viele Großheidekrüger versammelt hatten.
Und wie auch in den letzten Jahren war zu unserer Freude auch Rogge Frieda wieder da. Sie wird von ihrem Enkel, der sich an allem, was mit Großheidekrug zu tun hat begeistert ist, gefahren. Ich weiß leider den Beinamen von Rogges nicht. Sie wohnten am alten Friedhof gegenüber von Fleischer Holstein. Es gab, glaube ich, vier Mädchen und einen Jungen. Mit dem bin ich zusammen konfirmiert worden. Die jüngeren Schwestern hießen Mieze und Erna. Erna übrigens leitete die Filiale von Schmollers.
Frieda ist allein übrig geblieben, sieht frisch und munter aus und ist 86 Jahre alt!! Mach weiter so; wir freuen uns, Dich im nächsten Jahr wieder zu sehen.
Aber ich muß an diesem Sonntag doch feststellen, daß viele vertraute Gesichter fehlen, z. B. Ruchels Albert (Meier), Gratke – Thalmanns Walter, nach dem auch viele fragten. Und wie immer in der letzten Zeit, fehlen uns die Rendsburger, Hotke Herta und Erna, Neumanns Gerda und Koorls Tuta. Aber dann gab es einen Lichtblick: plötzlich stand – für die anderen überraschend, für mich nicht – Lenchen Zibner mit ihrer Tochter in der Tür. Lenchen hatte gemeint, nie wieder zu einem Treffen kommen zu können, hatte sie doch vor noch nicht so langer Zeit ihren Mann verloren.

Der Ablauf unseres Treffens verlief diesmal ein wenig anders. Irgendwie wurden wir mehr auf Gemeinsamkeit eingestimmt.
Nach dem Mittagessen füllte sich "der Laden", und siehe da, es war sogar schwer, einen Platz zu finden.

Helmut Holstein, der sich schon lange mit unserer plattdeutschen Sprache beschäftigt, und sie gerne viel mehr im Heimat Boten vertreten finden möchte, stellte sich einfach hinter das Pult, bat um Gehör und erzählte kleine plattdeutsche Geschichten. Viele unserer Leser möchten sehr gerne, daß mehr Geschichten in plattdeutsch erscheinen, andere wiederum können sie dann nicht lesen. Da bliebe uns nur, die Übersetzung ins Hochdeutsche hinzuzufügen.
Seine kleinen Geschichten haben uns viel Spaß gemacht und sind zur Nachahmung empfohlen. Vielleicht stellt der eine oder andere sich lieber hin und erzählt etwas, ehe er etwas schreibt, was für den HB natürlich sehr dienlich wäre. Helmut meinte dann und das geht an die Adresse von Koorls Tuta, daß sie eine von denen sei, die uns mit solchen Beiträgen erfreuen könnte. Außerdem wissen wir, daß sie wunderbar singen kann und uns alle ein bißchen auf Trab bringen könnte. Musikalische Begleitung müßte sich finden lassen, da gibt es einige Begabte bei den Großheidekrügern, wie z. B. Rogge Heinz. Ich habe meine Stimme bei der letzten Operation leider verloren (Tubus), und mit der Singerei ist es zu meinem eigenen Kummer vorbei.

Aber durch dieses enge Zusammenrücken kam ein warmes gemeinschaftliches Gefühl auf. Ich denke, daß auch die gemeinsamen Reisen nach Großheidekrug sehr viel dazu beitragen. Gerhard Kosemund mit seiner Frau Marianne war einer Einladung von Erika Walischewski und Bernd Sticklies gefolgt und hatten somit schon einen leichteren Einstieg.
Neu war auch, daß wir alle gemeinsam unserer zuletzt Verstorbenen gedachten. Wir verloren im Monat Juli unseren "kernigen" Ostpreußen Karl Siedler. Dann starb ein paar Wochen später sein Neffe, Herbert Holstein (Pfiffig). Onkel und Neffe waren beide lange Zeit tätig für den HB. Sie waren sich nicht immer einig; aber sie waren verwandt, und das machte alles wieder gut. Zu allem Leid verstarb dann auch noch ganz überraschend im 60. Lebensjahr der jüngste Bruder von Anneliese Stach (Pommels Anneliese) an einem Herzinfarkt. Sie war bis l948 in Großheidekrug festgehalten und hat ihren kleinen Bruder nach dem Tod ihrer Mutter an Mutters Stelle so betreut, dass sie ihn sicher nach Westdeutschland dem Vater zuführen konnte.
Lieselotte Bartels (Genske), Vertreterin der Ortsvertreterin, nahm es auf sich, uns um eine Gedenkminute zu bitten, zu der wir uns alle von den Plätzen erhoben. Dies war im Rahmen unseres Treffens ein besonderer, ein zu Herzen gehender Augenblick.
Noch etwas wäre zu bemerken: ausgelegte Zettel auf den Tischen wurden kaum beachtet. Vielleicht lag es auch daran, daß wir versäumten einen Hinweis darauf zu geben. Da bat eine Enkelin von Robert Klement – ihres Zeichens Kunstmalerin um Bilder von Großheidekrug. In der damaligen DDR groß geworden hatten die Familien keinen Zugang zu den Heimatboten. Aber ich denke, daß wir von hier aus eine Lösung dafür finden können.
Viel mehr Kopfzerbrechen bereitet uns der immer wieder an Siegfried herangetragene Wunsch nach dem "Grünen Buch" – "Unser Leben am Frischen Haff in der Caporner Heide", als HB Ausgabe Nummer 20 erschienen. Siegfried hat telefoniert, gefaxt, hat geschrieben, im Internet "gesurft" und bei der Druckerei in Frankfurt angefragt, die das Buch 1993 gedruckt hat. Leider gibt es dort darüber auch keine Unterlagen mehr. Machbar ist es allemal, nur es ist der Preis, der uns immer wieder abschreckt. 40 Bücher müßten bestellt werden, sonst lohnen sich die Druckerkosten nicht. Selbst wenn das Buch "verschlankt" sprich dünner gemacht wird, wird es immer noch einen fast 40 Euro kosten.
Nehmen wir an, es werden vielleicht 20 Bücher benötigt, dann sitzen wir hier mit den andern 20 und ärgern uns. Eine klare Antwort wäre hilfreich, und vielleicht gibt es dann auch ein "Grünes Buch".
Wir sind verpflichtet, von allen Heften oder Büchern zwei Exemplare an die Deutsche Bibliothek in Leipzig zu liefern. Für künftige Generationen werden sie dort eine wertvolle Dokumentation über unser Leben im 20. Jahrhundert in Ostpreußen, in unserer Heimat sein.
Oft sind es vor allem Enkelkinder, die ihren Großeltern mit solch einem Buch ein Geschenk machen möchten.

Und jetzt noch einmal eine Bitte an Euch alle. Ich, wir sind ganz sicher, daß sich erinnerungsfähige Bilder in des einen oder anderen Besitz befinden. Mit einem kleinen Hinweis, vor allem Beinamen, wäre es für den H B eine wunderbare Ergänzung zu unserer Verbundenheit mit der Heimat. Wer sieht sich nicht gerne Bilder an, die einen nach Hause führen.
Ich meine in das Zuhause, das es damals für uns war und nicht unbedingt das, was heute aus ihm geworden ist. Womit ich beim besten Willen nicht damit sagen will, daß die nicht auch notwendig sind.
Wir verstehen nur zu gut, daß man nicht gerne ein Unikat aus den Händen gibt; aber jedes noch so kleine Fotolabor kann heute einen Abzug davon machen. Bis jetzt ist bis auf gerade in der vorletzten Ausgabe keine Aufnahme verloren gegangen. Aber auch das haben wir bereinigen können, obwohl der Verlust nicht unbedingt an uns gelegen haben muß.

Bleibt alle schön gesund, habt ein schönes Weihnachtsfest mit Euren Familien.

Ich grüße Euch alle ganz herzlich (und ganz "heftig",
wie meine Verwandte aus Ostfriesland sagt).

Eure Elke oder Elli – wie es Euch am besten gefällt –
MoHanemann







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