Heimat Bote Nr. 43

Ärztliche Kunst vor 1500 Jahren
Walter Gronau

Die geschichtliche Zeit beginnt für Ostpreußen im 13. Jahrhundert mit der Ankunft der DeutschOrdensritter. Wir wissen aus Urkunden und zeitgenössischen Berichten, daß der Orden es mit einem wehrhaften Stamm zu tun hatte, dessen Wahrheits und Heimatliebe es ermöglichte, dem kriegstechnisch und waffenerprobten Gegner erfolgreich ein halbes Jahrhundert zu widerstehen.
Vorher schon hatte Herzog Konrad von Masovien es zu spüren bekommen, daß die Prußen sich seinem Willen nicht beugten, sondern ihm sogar durch dauernde Angriffe so zusetzten, daß er den Ritterorden zur Hilfe nehmen mußte.
Schon daraus kann man schließen, daß die Prußen ein Volk mit hoher Kultur und körperlicher Tüchtigkeit waren. Die Wissenschaft des Spatens hat dann auch reichlich Zeugnisse ans Licht gebracht, die uns einen Blick bis Jahrtausende zurück tun lassen.




Ärztliche Instrumente aus Gonscher, Kreis Sensburg

Das PrussiaMuseum in Königsberg bewahrte neben Waffen, Schmuck und Keramik auch einen seltenen Fund von Gonscher, Kreis Sensburg auf. Er stammte aus dem 1. bis 2 Jahrhundert n. Chr. Äußerlich unscheinbar, doch verblüffend, wenn man bedenkt daß es sich um ärztliche Instrumente handelte. Bei einigen waren teilweise noch die leicht verzierten Knochengriffe erhalten. (S. Abb.)
Natürlich ist die berechtigte Frage verständlich: Hat man mit diesen Instrumenten wirklich operiert? Der Chirurg wird es bestätigen können. Aber das PrussiaMuseum konnte aus derselben Zeit einen weiteren hochinteressanten Fund vorweisen, einen Baumsarg aus Widrinnen, Kreis Rastenburg. Bei einer Länge von 1,20 m barg dieser Sarg ein Kinderskelett mit seziertem Schädel (s. Abbildung). Wir wissen nicht, woran das Kind gelitten hat, jedoch war der Schädel sehr sauber horizontal aufgesägt; an den Schnittspuren war noch zu erkennen, daß mit äußerster Vorsicht gearbeitet worden war, offenbar um das Gehirn nicht zu verletzen.




Kinderskelett mit seziertem Schädel im Baumsarg Widrinnen, Kreis Rastenburg

Wenn auch nicht in demselben Grab, doch nur 500 Meter entfernt bei Loszainen fand sich auf dem dortigen Gräberfeld eine 32 Zentimeter lange wohlgeschränkte Säge, mit der man solch eine Schädelöffnung gut vornehmen konnte.
Nicht selten fanden sich auch gut verheilte, vernarbte Bruchstellen an Arm und Beinknochen, die ebenfalls auf "ärztliche Betreuung" schließen lassen. Beachtenswert, wenn man bedenkt, daß 1500 Jahre seitdem verflossen sind!

Aus: Der redliche Ostpreuße, 1961 (TOLKEMITA 382)




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