Heimat Bote Nr. 45

Zu: "Konsulat in Kaliningrad"; WELT vom 19. Januar 04

Kaliningrad ist etwas anderes als Königsberg

Immer wieder fällt mir auf, dass Sie als Bezeichnung für Königs-berg das russische "Kaliningrad" verwenden. Wenn Sie diesen nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Kunstnamen ver-wenden, so müssen Sie konse-quenterweise auch die polnischen Städtenamen "Poznan" oder "Wroclaw" anstelle der ja von Ihnen verwendeten Schreibweisen "Posen (Poznan)" oder "Breslau (Wroclaw)" anwenden. Schöner wäre es aber, wenn Sie einfach den alten deutschen Stadtnamen verwendeten - Kant wurde in Königsberg geboren, nicht etwa in Kaliningrad. Die Verwendung des russischen Namens führt nur dazu, dass die jahrhundertelange deutsche Geschichte der Stadt allmählich in Vergessenheit gerät. Und sicherlich würde Ihnen deshalb niemand den Vorwurf eines (unsinnigen) Revisionismus machen können.

Alexander De Pauli, 81829 München

Die Antwort

Ja, Kant hat in der Tat in Königsberg gelebt und gelehrt, und nicht in einer Sowjetstadt mit dem Namen eines Stalin-Getreuen, dessen Erinnerung selbst in Kern-Russland vom Antlitz der Erde getilgt wurde. Dass die Russen auch 41 Jahre nach Stalins Tod und zwölf Jahre nach dem Ende der Sowjetunion an dem Namen Kaliningrad festhalten - das um-liegende Gebiet wollten sie aller-dings vorübergehend in Bern-stein-Region umbenennen, verrät gemischte Gefühle. Die alte deutsche Stadt, deren namengebender König übrigens nicht einer der preußischen Monarchen war, sondern der König von Böhmen im Heiligen Römischen Reich, ist 1945 untergegangen: die Menschen, die Häuser, die alten Kirchen. Was bleibt, ist die Erinnerung, aber auch die Tatsache, dass keine moderne Namengebung 700 Jahre Geschichte weg-wischen kann. Die Hafen- und Handelsstadt hatte eine große Geschichte. Dass sich 1701 der Kurfürst von Brandenburg dort zum König in Preußen krönte, hing allerdings auch mit der Reichsverfassung zusammen: Königsberg lag außerhalb. Im Reich konnte nur der Kaiser Kö-nige machen.
Posen Poznan zu nennen und Breslau Wroclaw hat etwas von Liebedienerei an sich: Schließlich darf man auch Kobenhavn Kopenhagen nennen, Strasbourg Straßburg und Roma Rom - das stellt keine Besitzansprüche dar, und niemand von Verstand nimmt daran Anstoß.
Wie soll es nun eine Zeitung halten? Sie wird sorgsam darauf achten müssen, nicht die histori-schen Zeiten zu verwirren. Im Übrigen wären wohl die heute in Kaliningrad lebenden Russen die Ersten, die gern zum alten Namen zurückkehren würden. Die Bürger von St. Petersburg brauchten auch nicht lange, um den Namen Leningrad hinter sich zu lassen und dadurch ein Zeichen der Hoffnung zu setzen. Was die Gebietszugehörigkeit betrifft, so ist das letzte Wort gesprochen, spätestens bei der Unterzeichnung des "Zwei plus vier"- Abkommens. Was den Namen der Stadt betrifft, deren berühmtester Sohn Kant war, nicht.

Michael Stürmer

Eine merkwürdige Begründung: Posen darf Posen und Breslau Breslau genannt werden. Aus ihnen sind die Deutschen genau so wie aus Königsberg vertrieben. Warum macht Königsberg eine Ausnahme





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